Jagdfreie Nationalparks in Italien

Natur ohne Jagd: Nationalpark Gran Paradiso

Der Steinbock ist das Wahrzeichen

Der Steinbock ist das Wahrzeichen

des italienischen Nationalparks Gran Paradiso. · Bild: Dario De Siena

Artikel aus: Magazin "Freiheit für Tiere"


Der Nationalpark Gran Paradiso wurde 1922 als erster Nationalpark Italiens gegründet, um für zukünftige Generationen die Ökosysteme rund um das Gran Paradiso-Massiv zu bewahren. Der 70.318 Hektar große Nationalpark liegt in den Regionen des Aostatals und Piemonts, im Westen grenzt er an den französischen Nationalpark Vanoise. Seit der Gründung vor über 90 Jahren wird in Gran Paradiso nicht mehr gejagt. Tiere und Natur sind im Gleichgewicht.


Die Ziele des Nationalparks sind die Erhaltung der biologischen Vielfalt dieses Gebietes und seiner Landschaft, die wissenschaftliche Forschung, die Umweltbildung und die Entwicklung und Förderung eines nachhaltigen Tourismus. Im Jahr 2006 wurde dem Gran Paradiso-Nationalpark vom Europarat das Europäische Diplom für geschützte Gebiete verliehen. Der Nationalpark Gran Paradiso ist für Besucher ganzjährig geöffnet.

Das weitläufige Territorium beginnt auf einer Höhe von 800 Metern und übersteigt mit dem Gipfel des Gran Paradiso die Grenze von 4000 Metern. Der Gipfel des Gran Paradiso in der Mitte des Nationalparks ist mit einer Höhe von 4.061 Metern der höchste Berg der Grajischen Alpen und gleichzeitig der höchste Berg, der mit seiner Basis vollständig auf italienischem Boden steht.

Symbol des Nationalparks ist der Steinbock. Außer dem Steinbock leben in den felsigen Gebieten und auf den Bergmatten viele Gämsen, Murmeltiere sowie Steinadler und Bartgeier. In niedrigen Lagen bis etwa 2000 Meter Höhe leben Wildschweine, Rehe, Hirsche, Füchse, verschiedene Arten von Mardern, Hermeline und eine große Population von verschiedenen Hasenarten und Wildkaninchen. In den letzten Jahren sind Luchse und Wölfe nach Gran Paradiso zurückgekehrt.

"Wir haben nie Schaden gehabt und mussten nie die Populationen der Tiere irgendwie verringern", sagt der Tierarzt Bruno Bassano, verantwortlich für die gesundheitlichen Belange der Tiere im Nationalpark. Die Tierpopulationen regulieren sich selbst. Die Füchse sind die Gesundheitspolizei des Waldes. In harten Wintern sterben viele Tiere. Bassano: "Wenn der Schnee schmilzt, kommen die Füchse und fressen das Aas." Der Tierarzt ist überzeugt: "Die Umwelt würde sich selbst optimal erhalten mit einem inneren Regelungsmechanismus, ohne dass der Mensch schießt."

Bewohner von Bergwiesen und felsigen Gebieten

Steinböcke

Der Steinbock ist das Symbol des Nationalparks Gran Paradiso. Er lebt in großer Höhe auf Bergwiesen und schroffen Klippen. Die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Tieren sind sehr markant: Am Ende des Herbstes beträgt das durchschnittliche Gewicht der erwachsenen Männchen über 90 Kilogramm, die Weibchen wiegen nur zwischen 35 bis 49 Kilo. Die Hörner der Männchen sind viel länger und größer als die der Weibchen. Die Nahrung des Steinbocks besteht im Sommer ausschließlich aus frischem Gras, während er sich in den anderen Jahreszeiten von Büschen, Flechten und Nadeln ernährt. Steinböcke standen im späten neunzehnten Jahrhundert vor dem Aussterben und überlebten nur in den Tälern des heutigen Nationalparks Gran Paradiso, der aus einem 1856 zum Schutz des Alpensteinbocks geschaffenen königlichen Jagdreservat hervorging. Im 20. Jahrhundert hat sich die Population erholt, so dass es im Nationalpark zahlreiche Steinböcke gibt. Der Steinbock genießt durch den Nationalpark besondere Aufmerksamkeit und besonderen Schutz; seiner Erforschung und Erhaltung sind viele Projekte gewidmet.

Der Steinbock

Der Steinbock

wurde bereits um 1650 in Graubünden ausgerottet. 1920 wurden im Schweizerischen Nationalpark einige Steinböcke ausgesetzt. Heute leben hier rund 300 der majestätischen Tiere.

Murmeltiere

Der Lebensraum der Murmeltiere sind die subalpinen und alpinen Wiesen im Nationalpark. Sie leben vor allem auf Südhängen, wo Erde, Schutt und Geröll den Bau von tiefen Löchern ermöglichen. Während sie normalerweise den Bereich oberhalb der oberen Baumgrenze in einer Höhe zwischen 2000 und 3000 Meter bewohnen, leben sie in einigen Bereichen auf Wiesen auf 800 Meter Höhe. In der kalten Jahrezeit halten Murmeltiere einen ausgedehnten Winterschlaf. Der Schlafkessel wird dafür mit weichem Gras ausgepolstert, in welchem sich die Tiere zusammenrollen. Für diese lange Ruhezeit fressen sie sich während der kurzen Sommermonate große Fettreserven an. Das Murmeltier ernährt sich hauptsächlich von Gras, frisst aber auch Knospen, Samen, Früchte, Beeren und Wurzeln und manchmal auch Insekten, kleine Säugetiere und Vogeleier.

Gämsen

Gämsen sind typische Bewohner der mittleren und hohen Berge im Nationalpark, sie klettern auf steile Hänge und Felsen. Sie sind mittelgroß, ihr Körperbau ist kompakt, sowohl Männchen als auch Weibchen haben geschwungene Hörner. Im Sommer ernähren sich die Gämsen fast ausschließlich von frischen Kräutern, während der Wintersaison von Blättern, Sträuchern, Moosen und Flechten. Die Gämse ist die häufigste Huftierspezies im Nationalpark und gleichmäßig in den Tälern des Piemont und Valle d'Aosta verteilt. Hohe Dichten kommen in den Tälern von Campiglia , Noaschetta, Ciamosseretto, Sort, Levionaz und Valnontey vor. Die Gämse steht unter besonderer Berücksichtigung von Forschern im Park. Eine langfristige Studie über ihre Öko-Ethologie ist in Vorbereitung.

Steinadler

Der Steinadler nistet an Felswänden in über 1400 Meter Höhe, wo er nicht von anderen Tieren oder von Menschen gestört wird. Er hat eine Flügelspannweite von 190 bis 220 Zentimeter, das Weibchen ist größer als das Männchen. Erwachsene Steinadler haben braunes Gefieder, die Jungvögel haben große weiße Flecken auf den Flügeln. Der Steinadler ernährt sich von Murmeltieren, kleinen Säugetieren, Vögeln und Kadavern von Huftieren. Erhebungen zeigen, dass im Nationalpark etwa 17 Adlerpaare leben. Die Adlernester sind in allen Tälern des Parks verteilt.

Bewohner des Waldes

Rehe

Die Rehe leben im Nationalpark in Bereichen der unteren Lagen, wo es Laub- und Mischwälder gibt, die durch viele Lichtungen unterbrochen werden. Rehe benötigen eine Ernährung, die reich ist an Blättern, Kräutern und Trieben mit wenig Ballaststoffen. Die Rehpopulation im Nationalpark ist in letzter Zeit etwas gewachsen. Zudem nimmt die Präsens der Rehe im Park zu, wenn außerhalb des Parks die Jagd eröffnet wird. Rehe kommen am häufigsten im unteren Valle Orco und Soana vor; die drei Täler des Val d'Aosta werden inzwischen auch langsam aber stetig besiedelt.

»Ob Tiere eine Seele und Gefühle

»Ob Tiere eine Seele und Gefühle

haben, kann nur fragen, wer über keine der beiden Eigenschaften verfügt, meinte einst Eugen Drevermann.«

Hirsche

Die Hirsche bevorzugen die Wälder und den hochstämmigen Wald, mit Lichtungen und Wiesen durchsetzt. Als größte wiederkäuende Pflanzenfresser in Italien haben die männlichen Hirsche ein Gewicht von 160 bis 210 Kilogramm, die Hirschkühe 90 bis 130 Kilo. Nur die männlichen Hirsche tragen ein Geweih, es wird jedes Jahr nach der Paarungszeit abgeworfen und anschließend neu gebildet. Hirsche fressen pro Tag im Durchschnitt 10 bis 15 Kilo, hauptsächlich große Mengen Gras, dazu Blätter von Bäumen und Sträuchern. Im Winter ernähren sie sich von Zweigen und Rinde von Hart- oder Weichholz sowie von Eicheln, Kastanien und Bucheckern. Die Hirsche kamen in den Nationalpark aufgrund der Wiederansiedlung in den frühen 1980er Jahren im Aosta-Tal.

Wildschweine

Wildschweine sind in der Lage, in sehr unterschiedlichen Umgebungen zu leben, sofern sie Wasser, Nahrung und eine gute Vegetationsdecke vorfinden. In Gran Paradiso sind sie von der Ebene bis an den Rand der Waldgrenze in den Bergen in 2000 Metern Höhe zu beobachten. Das Wildschwein ist ein Allesesser und bevorzugt Früchte wie Eicheln, Kastanien, Obst, Beeren, Pilze und Wurzeln, die etwa 80 bis 90 Prozent der Ernährung ausmachen. Hinzu kommen Würmer, Engerlinge, Larven, Schnecken, Mäuse und Aas. Die Wildschweine wurden erst in den frühen 1980er Jahren im Nationalpark beobachtet, zuerst auf der Piemont-Seite des Parks. Inzwischen leben stabile Populationen vor allem im Soana-Tal und in der Valle Orco. Seltener werden Wildschweine in den Tälern Val d'Aosta Rhêmes Valley und Savara beobachtet.

Füchse

Füchse sind im Nationalpark Gran Paradiso weit verbreitet. Sie leben in den Auwäldern der unteren Lagen bis zu den Wiesen der alpinen Zone oberhalb von 2.500 Metern. Ihre wichtigsten Nahrungsquellen sind Mäuse, Hasen und Aas. Über die Ernährung der Füchse im Nationalpark wurden Studien durchgeführt: In den Sommermonaten und während des späten Winters halten sie sich in der Umgebung von Gämsen und Steinböcken auf. Hier wirken sie als Gesundheitspolizei : Sie vertilgen im Sommer kranke und tote Kitze, die von ihren Müttern verlassen wurden sowie das Aas von Tieren, die im Winter den Hungertod erlitten.

Fuchs im Nationalpark Gran Paradiso

Fuchs im Nationalpark Gran Paradiso

Bild: Dario De Siena

Wölfe

Im 19. Jahrhundert wurden die Wölfe nahezu ausgerottet. Jetzt sind sie nach Gran Paradiso zurückgekehrt: In den letzten zehn Jahren kann die Anwesenheit von Wölfen im Park häufig beobachtet werden, vor allem in den Tälern der Val d'Aosta. Die Ausbreitung des Wolfes wird durch das Vorhandensein von Höhlen und Zufluchtsorten und der Abwesenheit von Menschen bestimmt. Im Winter haben Wölfe ein dichtes, graues Fell mit langen Haaren, im Sommer ist das Fell kurz, seidig und hat eine rötlich-braune Farbe. Bekanntlich sind Wölfe sehr soziale Tiere. Das Wolfsrudel besteht im Regelfall aus dem Elternpaar und deren Nachkommen, es handelt sich also um eine Familie. Die Elterntiere sind grundsätzlich dominant gegenüber ihrem Nachwuchs, Kämpfe um die Rangordnung gibt es daher nicht. Die Jungwölfe aus dem Vorjahr unterstützen die Eltern bei der Aufzucht der neuen Welpen. Mit Erreichen der Geschlechtsreife im Alter von zwei Jahren suchen sie ein eigenes Revier. Wölfe jagen im Rudel; Hauptbeute sind mittelgroße bis große wilde Huftiere. Der Wolf wird von Schäfern und Bauern immer wieder verdächtigt, Schafe zu reißen. Bruno Bassano, Tierarzt im Nationalpark Gran Paradiso, weist darauf hin, dass Schafe sehr viel häufiger von Hunden gerissen werden.

Wolf im Nationalpark Gran Paradiso

Wolf im Nationalpark Gran Paradiso

Bild: Luciano Ramires

Luchse

Ähnlich wie Braunbär und Wolf war auch der Luchs über viele Jahrzehnte starker Verfolgung ausgesetzt und durch gezielte Ausrottungsmaßnahmen aus Westeuropa verschwunden. In den letzten Jahren werden Luchse immer wieder im Nationalpark gesehen. Sie leben überwiegend in bewaldeten Gebieten. Die Fellfarbe variiert von Grautönen im Winter bis rötlich-braun im Sommer. Typisch sind die Pinsel auf den Ohren, ein ausgeprägter Backenbart und der kurze Schwanz. Der Luchs ist ein reiner Fleischfresser. In der Regel essen sie, was sie jagen, sie können sich aber auch von Kadavern ernähren. Die Beute ihrer Wahl in der Bergwelt sind Rehe und Gämsen. Da ihr Territorium etwa 200 bis 300 Quadratkilometer groß ist, wird von einer Anwesenheit von maximal zwei Paaren im Nationalpark ausgegangen.

Informationen

Parco Nazionale Gran Paradiso
Via della Rocca, 47 10123 Torino (TO)
Internet: www.pngp.it

Interview mit Bruno Bassano

Bruno Bassano ist verantwortlicher Tierarzt

Bruno Bassano ist verantwortlicher Tierarzt

im italienischen Nationalpark Gran Paradiso - dort wird seit 1922 nicht mehr gejagt.

GLEICHGEWICHT IN DER NATUR OHNE JAGD

In den weiträumigen italienischen Nationalparks wird seit Jahrzehnten nicht mehr gejagt. Gran Paradiso ist der bekannteste und zugleich der größte italienische Nationalpark. Seit 1922 ist in dem 72.000 Hektar großen Waldgebiet die Jagd abgeschafft. Wir sprachen mit dem Tierarzt Bruno Bassano, der für die gesundheitlichen Belange der Tiere im Nationalpark Gran Paradiso verantwortlich ist.

Welche Tiere leben im Nationalpark Gran Paradiso?


Bassano: In unseren Bergen leben verschiedene Huftiere, insbesondere der Steinbock, der unser Symbol ist, und natürlich auch viele Gemsen. Zur Zeit sehen wir auch wieder Rehe und Hirsche, aber in kleiner Anzahl und nur in Teilbereichen. Die Wildschweine leben nur in niedrigeren Lagen, etwa bis 2000 m Höhe. Dann haben wir verschiedene Hasenarten. Unter den Fleischfressern finden wir natürlich Füchse und verschiedene Arten von Mardern. In jüngster Zeit sind auch wieder Luchse und Wölfe gesehen worden. Heimisch ist in Gran Paradiso auch der Goldadler - und immer öfter werden auch Bartgeier gesehen, welche im ganzen Alpengebiet wieder eingeführt werden. Und natürlich leben hier überall Murmeltiere.

In Deutschland wird auch in Nationalparks gejagt. Wird bei Ihnen im Nationalpark Gran Paradiso gejagt?

Bassano:
Nein, seit Gründung des Nationalparks im Jahre 1922 gibt es keine Jagd mehr. Es gab einige kurze Zeiten am Anfang und dann in den Jahren 1965-69, in denen selektiv etwas gejagt wurde auf Druck von außen. Aber es wurden nur alte oder kranke Tiere getötet. Das kann man nicht als übliche Jagd definieren, in der frei lebende Tiere abgeschossen werden um die Zahl zu vermindern. Seither wird gar nicht mehr gejagt.

Entstanden daraus Schwierigkeiten? Denn hier bei uns in Deutschland sagt man, wenn es keine Jagd gibt, würden die Tiere überhand nehmen.

Bassano:
Wir haben nie Schaden gehabt und mussten nie die Population der Tiere irgendwie verringern. Selbst als die Population der Steinböcke auf 6000 Tiere anstieg, haben wir keine Probleme mit Schäden gehabt.

Ein Hauptargument der Jäger in Deutschland ist, dass die Rehe die jungen Bäume im Wald fressen. Wenn man in ganz Italien oder in ganz Deutschland die Jagd abschaffen würde, meinen Sie, dass der Verbiss ein Problem wäre?

Bassano:
In bestimmten Gegenden, in denen z.B. die Anzahl der Hirsche groß ist, könnte es natürlich einige Schwierigkeiten für die Aufforstung oder für die Erneuerung der Pflanzen bringen. Hier sind Umzäunungen der neuen Aufforstungen sicher angebracht. Es ist klar, dass man bestimmte Grenzen erreicht, wenn der Eingriff der Tiere auf die Pflanzen zu groß ist. Aber ich muss hier daran erinnern, dass diese Probleme von den Jägern hausgemacht sind. Und natürlich passt sich die Pflanzenwelt dem Tierbestand an und umgekehrt. Es kommt darauf an, was man mit dem Wald vorhat.

Wenn man bei uns in Deuschland aufforstet, werden oft 20.000 Bäume gepflanzt, obwohl letztendlich Platz nur Platz für 2000 oder 3000 ausgewachsene Bäume ist. Der größte Teil wird also ausgeschlagen. Davon fressen die Tiere doch nicht einmal einen Bruchteil...

Bassano:
Genau, das meinte ich, als ich sagte, es kommt darauf an, was man mit dem Wald vorhat. Wenn der Wald aus rein wirtschaftlichen Gründen gepflanzt wird - so, wie es die Förster sehen, welche den Wald als Produktion von Holz ansehen - dann ist es klar, dass ein Huftier wie der Hirsch Probleme verursachen kann. Wenn man aber den Wald aus ökologischer Sicht betrachtet, dann muss dieses Problem nicht existieren; dann werden Tier und Pflanze ein Gleichgewicht finden.
Es ist aber klar: Immer wenn der Mensch eingreift und - so, wie es in manchen Gebieten in der Schweiz passiert ist - in den Lawinenschluchten Nadelbäume pflanzt, die für dieses Gebiet nicht üblich sind, dann ist es möglich, dass die Steinböcke diesen Pflanzen Einhalt gebieten. Aber die Pflanzen wuchsen ursprünglich nicht dort.

Immer mehr Ökologen kommen zu dem Ergebnis, dass sich Tierpopulationen selbst regulieren würden, wenn man sie nur ließe.

Bassano:
Das beobachten wir auch in Gran Paradiso. Insbesondere im Winter sterben etliche Tiere. Wenn der Schnee schmilzt, kommen die Füchse und fressen das Aas.

In Deutschland sagt man, dass es notwendig sei, die Füchse zu jagen, weil sonst die Hasen aussterben würden. Sind im Nationalpark die Hasen schon ausgestorben?

Bassano:
(lacht) Nein, nein, wir haben sehr viele Hasen, eine große Population von verschiedenen Hasenarten und Wildkaninchen.

Bei uns in Deutschland ist ein weiteres Argument für die Jagd auf Füchse die angebliche Gefahr durch Tollwut und den Fuchsbandwurm.

Bassano:
Bei den Tollwut-Epidemien in den 70er Jahren kam man zu dem Ergebnis, dass es falsch war, die Füchse zur Bekämpfung der Tollwut zu jagen. Durch die Jagd auf Füchse mussten die Füchse ihre Reviere verlassen, was zur Ausbreitung der Krankheit führte. Deswegen ist man in Italien inzwischen zur Impfung übergegangen. Im Nationalpark vertreten wir bezüglich der Gesundheit der Tiere den Standpunkt, dass wir den natürlichen Lauf der Dinge lassen - damit sich ein Gleichgewicht innerhalb der Population der Füchse einstellen kann.

Glauben Sie, dass die Jagd aus irgendwelchen ethischen oder ökologischen Gründen notwendig ist?

Bassano:
Ganz klar: Nein! Derzeit ist in Italien im Großteil des Landes die Jagd erlaubt. Unter ökologischen Gesichtpunkt ist es daher sehr wichtig, dass die Anwesenheit des Menschen als Jäger wenigstens in den Parkgebieten ausgeschlossen wird um die natürliche Evolution mancher Tierarten ohne Eingriff durch den Menschen zu messen. In den anderen Gebieten, für die bislang keine Schutzregelung gilt, wird die Abschaffung der Jagd eine politische Entscheidung sein. Wenn einer an eine alte oder ursprüngliche Tradition des Menschen als Jäger anknüpfen will - dann ist es klar, dass Elemente ins Spiel gebracht werden, die mit der Ökologie nichts zu tun haben. Das Ziel der Jäger ist, die Zahl ihrer Opfer konstant hoch zu halten. Die Umwelt würde sich selbst optimal erhalten mit einem inneren Regelungsmechanismus, ohne dass der Mensch schießt. Ich sehe für die Jagd wirklich keine andere Funktion, als dass es ein Vergnügen ist.

Auch in Deutschland mehren sich die Stimmen, dass sich Tierpopulationen von selbst regulieren würden, wenn man sie nur ließe. Können Sie sich nach Ihren Erfahrungen im Nationalpark vorstellen, dass man auch in Deutschland ohne Jagd auskäme?

Bassano:
Ja, auf jeden Fall! Die Jagd dient nur den Jägern.

Jagd: Nebenform menschlicher Geisteskrankheit

Der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, schrieb:

Jägerei ist eine Nebenform von menschlicher Geisteskrankheit .
(Theodor Heuss: Tagebuchbriefe 1955-1963, hg. V. Eberhard Pikart, Tübingen/Stuttgart 1970, S. 106)

Fakten gegen die Jagd

Die moderne Wissenschaft

Die moderne Wissenschaft

hat in zahlreichen Untersuchungen zweifelsfrei nachgewiesen, dass Tiere empfindungsfähige, Freude und Schmerz verspürende Wesen sind. Tiere verfügen über ein reiches Sozialverhalten und gehen wie wir Beziehungen und Freundschaften ein. Sie können Liebe und Trauer empfinden, ja, sogar Fairness, Mitgefühl, Empathie, Altruismus und moralisches Verhalten zeigen, das über Trieb- und Instinktsteuerung weit hinausgeht.

Trotz beharrlicher Propagandaarbeit der Jagdverbände sinkt das Image der Jäger immer mehr: Immer weniger Spaziergänger, Hundehalter, Reiter und Mountainbiker lassen es sich gefallen, wenn sie von Jägern angepöbelt und bedroht werden - und sie protestieren gegen Ballerei in Naherholungsgebieten sowie gegen Massenabschüsse auf Treibjagden. Immer wieder zu lesen, dass Jäger aus Versehen Liebespaare im Maisfeld, Jagdkollegen oder Ponys auf der Weide mit Wildschweinen verwechseln - das kann einem draußen in der Natur durchaus Angst machen - ebenso wie Schüsse am Spazierweg oder Kugeln, die in Autos einschlagen. Außerdem haben Millionen Tierfreunde kein Verständnis, wenn Jäger ihre Hauskatzen abknallen oder drohen, den Hund zu erschießen.

Tierrechtsorganisationen decken immer wieder Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bei Treib- und Drückjagden sowie bei Gatterjagden auf, wo halbzahme Tiere gegen Geld abgeknallt werden. Warum Jäger Jagd auf Hasen machen, obwohl sie auf der Roten Liste bedrohter Arten stehen, kann irgendwie auch niemand mehr gut finden. Zudem haben 99,7 Prozent der Bevölkerung andere Hobbys, als Tiere tot zu schießen.

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Warum jagen Jäger wirklich?

Die Frage "Warum jagen wir?" beantwortet eine Jagdredakteurin wie folgt: "Einige beschreiben die Jagd als Kick, andere sprechen von großer innerer Zufriedenheit. Die Gefühle bei der Jagd sind ebenso subjektiv wie in der Liebe. Warum genießen wir sie nicht einfach, ohne sie ständig rechtfertigen zu wollen?"
Rationale Gründe, mit denen Jäger rechtfertigen, dass die Jagd notwendig sei, sind offenbar nur Ausreden. Jedenfalls schreibt die Jägerin: "Der Tod, der mit dem Beutemachen verbunden ist, ist verpönt. Deswegen suchen die Jäger Begründungen in Begriffen wie Nachhaltigkeit, Hege und Naturschutz."

Der Neurologe und Psychoanalytiker Dr. Paul Parin - ebenfalls begeisterter Jäger - schrieb in seinem Buch "Die Leidenschaft des Jägers": "Seit meinen ersten Jagdabenteuern weiß ich: Jagd eröffnet einen Freiraum für Verbrechen bis zum Mord und für sexuelle Lust, wann und wo immer gejagt wird."

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Immer mehr jagdfreie Grundstücke in Deutschland

Von Schleswig-Holstein bis Bayern: In Deutschland gibt es immer mehr jagdfreie Grundstücke!

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am vom 26.6.2012 entschieden, dass es gegen die Menschenrechte verstößt, wenn Grundeigentümer die Jagd auf ihrem Grund und Boden gegen ihren Willen dulden müssen, obwohl sie die Jagd aus ethischen Gründen ablehnen. Aufgrund des Urteils des höchsten europäischen Gerichts wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, ihre Jagdgesetzgebung entsprechend zu ändern. Grundeigentümer können bei der unteren Jagdbehörde einen Antrag stellen, dass Ihr Grundstück jagdrechtlich befriedet wird.

Eine aktuelle Dokumentation über jagdfreie Grundstücke und laufende Anträge auf jagdrechtliche Befriedung finden Sie hier.

Seit 1974: Jagdverbot im Kanton Genf

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Jagdverbote in immer mehr Ländern

In Luxemburg ist die Jagd auf Füchse seit 2015

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verboten. Damit liefert unser Nachbarland den praktischen Beweis dafür, wie unnötig das massenhafte Töten von Füchsen ist - auch in der modernen Kulturlandschaft: Weder hat die Zahl der Füchse zugenommen noch gibt es Probleme mit Tollwut. Die Verbreitung des Fuchsbandwurms geht sogar zurück.

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